Inklusionseinblicke im Schloss Heidelberg

Es wird so viel über Inklusion geredet – was bedeutet Inklusion konkret und vor Ort? Im Heidelberger Schloss gab es im Oktober 2019 einen „Tag des Sehens und Hörens“, der Besucherinnen und Besucher über Schlossführungen für Menschen mit Seh- und Höreinschränkungen informierte. Auch über das Leben mit diesen Behinderungen gab es viel zu erfahren.

Fassade des Ottheinrichsbau im Heidelberger Schloss
Skulpturen am Ottheinrichsbau

Neben allgemeinen Informationen zu Inklusion und Behinderung sollten Kurzführungen zeigen, wie das Schloss auf die Bedürfnisse sehbehinderter oder hörbehinderter Touristen eingeht. Nichtbehinderte Menschen hatten die Möglichkeit mit Simulationsbrillen und Ohrstöpseln die Situation einer Seh- oder Hörbehinderung nachzuempfinden. Für Kinder gab es kleine Spiele zu Sinneswahrnehmungen z. B. konnten sie unter einem Tuch verdeckte Gegenstände erfühlen und erraten: Mini-Krone, Puppenschuh oder der Ball des Froschkönigs? Die Nase durfte an kleinen Behältern mit Kräutern und anderen duftenden Substanzen das Schnuppern trainieren. Die mitwirkenden Betroffenen konnten zu ihrer Behinderung befragt werden. So konnten wir z. B. den Unterschied zwischen Gehörlosigkeit und Schwerhörigkeit erklären, und dass das Verstehen trotz Hörgeräten oder CI manchmal schwer ist, und dass es auch schwer ist, sich zu melden und zu outen, wenn man wieder nicht verstanden hat.

Gegenstände zum Ertasten halb unter einem Tuch verdeckt: Minitrommel, Kamm, Löffel, Legostein, goldener Ball, Spiegel, Minischuh und Murmeln
Training für den Tastsinn: Gegenstände unter einem Tuch ertasten

Für die hörbeeinträchtigten Menschen wurde eine Gebärdensprachdolmetscherin eingeladen sowie die FM-Anlage des Schlosses bereitgestellt. Letztere war aber nur für die konkreten Führungen vorgesehen. Erst gab es noch die offiziellen Begrüßungsworte zum Inklusionstag… Zum Glück verstanden die Redner unsere Beunruhigung und kamen wenigstens näher, so dass wir sie besser verstehen konnten.

Unsere Führung mit FM-Anlage begann im Ottheinrichs-Bau mit seiner prächtigen Fassade mit vielen einzelnen Figuren. An einzelnen Stationen der Tour verteilte die Schlossführerin Elisabeth Kröger auch Texte, so dass wir ggf. etwas nachlesen konnten z. B. die Bedeutung von einzelnen Skulpturen. Elisabeth schilderte auch, wie sich Graf de Graimberg im 19. Jahrhundert für den Erhalt der Schlossruine engagierte und eine wichtige Rolle als quasi erster Denkmalpfleger spielte. Bei der Führung kamen wir an einem Zimmer vorbei, in dem er gearbeitet hatte. Bei einer weiteren Probeführung konnte der Audioguide getestet werden, den man sich entweder wie ein Telefon ans Ohr hält oder mit der Induktionsschleife verbindet. Dann drückt man die entsprechende Zahl für eine „Hörstation“ und hört die Information dazu.

3 Frauen mit Audioguides stehen an einem steinernen Tor mit verzierten Säulen und Skulpturen
Kurzführung am Elisabethtor mit Audioguides

Nach den Führungen konnten die Teilnehmer/innen Rückmeldungen geben. Die Gruppe der Hörbeeinträchtigten lobte die anschaulich und interessant vorgetragene Führung, die Offenheit für Fragen und die Geduld mit der Technik. Zum Handling wurde erklärt, dass die Gruppe mit der FM-Anlage nur die Stimme der Führerin hört. Fragen von Teilnehmenden müssen daher wiederholt werden, die wesentlichen Informationen für die Gruppe vervollständigt werden. Auch visuell sollte gezeigt werden, wer gerade zu wem spricht, z. B. mit Blickkontakt. Angeregt wurde noch, dass der Aufenthalt in besonders halligen Räumen verkürzt werden sollte, um die Höranstrengung zu verringern. Elisabeth Kröger bestätigte, dass der Umgang mit dem Mikrofon viel Übung braucht.

Die Gruppe der Sehbeeinträchtigten fand es positiv, dass ihr Schlossführer mit kontrastreichen Farben gekleidet war, langsam und deutlich gesprochen und wichtige Hinweise wie z. B. „Folgen Sie meiner Stimme“ eingestreut habe. Es wurde angeregt, Raumbeschreibungen zu erlernen oder auch präzisere Hinweise zu Treppen und Richtungen. Zeit geben für Tasteindrücke sei wichtig. Zur inhaltlichen Seite gab es den Vorschlag, Kurzführungen zu bestimmten Themenblöcken anzubieten („ein Kurfürst pro Führung“). Die Teilnehmenden waren sich insgesamt einig, dass man einen solchen Inklusionstag wiederholen sollte. Erste Überlegungen für eine weitere Aktion im Frühjahr bestehen bereits.

Das Angebot an barrierefreien Führungen im Heidelberger Schloss umfasst neben den hier genannten Führungen für seh- oder hörbeeinträchtigte Menschen auch sogenannte „Easy-Going-Touren“ für Menschen mit eingeschränkter Mobilität sowie Führungen in leichter Sprache. Inklusion meint dabei nicht nur Führungen für Gruppen von behinderten Menschen. Wenn behinderte Menschen an Gruppenführungen zusammen mit nichtbehinderten Menschen teilnehmen wollen, können sie ihren Bedarf bei der Buchung benennen. Dann kann das Team vom Schloss die möglichst barrierefreie Teilnahme sicherstellen.

Mehr zu den Inklusionsangeboten siehe unter https://schlosstouren.com/barrierefrei.html